Colin Vallon wurde 1980 in Yverdon geboren. Nach einer dreijährigen klassischen Ausbildung besucht er im Alter von vierzehn Jahren Musikstunden beim Jazzpianisten Marc Ueter. Der Eintritt in die Swiss Jazz School erfolgt mit achtzehn. Seine Lehrer sind Silvano Bazan und später William Evans. 1999 gründet er das Colin Vallon Trio mit Lorenz Beyeler und Raphaël Pedroli, mit dem er regelmässig in der ganzen Schweiz und auch im Ausland auftritt. 2004 erscheint die CD "Les Ombres" auf dem CH-Label Unit Records. Er gewinnt mehrere Auszeichnungen, so den Preis der Friedl-Wald Stiftung, den 3. Preis der Montreux Jazz Piano Solo Competition 2002, sowie den 1. Preis im Nescafé-Wettbewerb "Let’s Jazz Together" 2003. 2004 erhält er einen Kompositionauftrag von der Pro Helvetia und sein Trio war eine von drei selektionierten Gruppen für den "ZKB Jazzpreis 2004". Im Januar 2005 begleitet er den amerikanischen Gitarristen Kurt Rosenwinkel im Rahmen des Swiss Diagonales Festival. Mit seinem neuen Quintett "Colin Vallon Cinq" (mit dem französischen Trompeter Erik Truffaz) spielte er im Bejazz Winterfestival 2005. Als Sideman spielt er unter anderem im Cyrille Bugnon Quartet, Sascha Schönhaus Express, Nils Wogram "Lush", Daniel Schläppi "Dimensions", Lisette Spinnler "Siawaloma", Fabian Gisler Quartet, Lole, … Auftritte bei mehreren Schweizer sowie Internationalen Festivals (Bern, Basel, Cully, Montreux, Langnau, Cannes, Strasbourg, Dubai …).
Klingende Berichte aus dem Schattenreich
Als Jungtalent wird er in der Szene gehandelt. Der welsche Jazzpianist Colin Vallon beweist auf seinem Erstling, dass er die Lorbeeren verdient.
©Christoph Merki - Tages Anzeiger
Rebellisch wirkt er oder zumindest jugendlich cool, wie er mit der schwarzen Wollmütze so dasteht inmitten seiner Gepäckstücke. Er fingert am Kabel eines iPods herum und streift zur Begrüssung den Kopfhörer ab. Zürcher Hauptbahnhof, am letzten Mittwochmorgen. Colin Vallon kommt vom Flughafen her, "Starsky and Hutch" habe er im Flugzeug geschaut, zwinkert er. Sechs Wochen weilte er in New York, ein Eintauchen in die Mutterstadt des Jazz wars, Sessions da und dort, im Cleopatras Needle oder im C-Note, jetzt ist er auf der Heimreise nach Bern.
Vallon, Jahrgang 1980, in Yverdon als Sohn eines Psychiaters und einer Lehrerin aufgewachsen, geniesst in der helvetischen Jazzszene bereits einen guten Ruf. Es hat sich herumgesprochen, dass an der Berner Jazzschule ein Student den üblichen Standard sprengt und sich früh als souveräner Spieler profiliert. Vallon ist nun aber nicht vom Schlag eines auftrumpfenden amerikanischen "Young Lion", der mit flamboyanten Tönen und sozusagen zähnefletschend auf sich aufmerksam machen will. Sein eben erschienenes Debütalbum "Les Ombres" (Die Schatten) zeigt das. Leichte und lebhafte Töne bilden eher die Ausnahme darauf -von einer Fulminanz der Musik kann nicht die Rede sein, im Gegenteil. Getragene Akkorde überwiegen und klangschöne, feierliche Momente, das tönt teils wie ein Requiem. Vallons seit 1999 bestehendes Klaviertrio (Lorenz Beyeler, Bass; Raphael Pedroli, Drums) peilt die verhalten-feinfühligen Töne an, wir hören eine wohlgesetzte Klavierromantik in Moll, die häufig in den unteren Registern spielt.
Da erstaunt es denn nun doch ein wenig, wenn Vallon im Gespräch von der "Superenergie" New Yorks schwärmt, dabei gar die Faust ballt, Pianisten wie den Bebop-Pionier Bud Powell oder den Saxofonisten John Coltrane, diesen Intensitätsfetischisten, als seine nachhaltigsten Einflüsse angibt. Eher glaubt man Vallon auf der Spur zu sein, wenn er erzählt, er habe eine Zeit lang sehr intensiv Sciencefiction-Literatur gelesen, er schätze auch Rimbaud und Baudelaire, die französischen Schriftsteller. Stücktitel wie "Voyage de Nuit" sind ein weiterer Fingerzeig: In Vallons Musik wachsen ständig Schatten, gross ist ihm die Nacht, und vor dem geistigen Auge sieht man beim Hören seiner vielen Abschiedstöne einen leicht schwermütigen, im Abendland verwurzelten Adoleszenten voller romantischem Sehnen.
Musik aus der Alten Welt
Sind die stärksten Einflässe am Ende die, die man selber gar nicht spürt? Ist formale Bildung nur Überbau, das Entscheidende aber ereignet sich subkutan? "Meine Mutter hörte viel klassische Musik zu Hause", erzählt Vallon, "ich merke heute, dass ich viele klassische Kadenzen im Ohr habe, obwohl ich das nicht studiert habe."Während der Gymnasialzeit habe er sich zudem für Rockmusik begeistert, für Kurt Cobain und Nirvana. "Ich komponiere viel. Die guten Stücke sind Ausdruck meiner inneren Welt, und sie sind", kokett lächelt Vallon bei diesen Worten, "vermutlich eher traurig als froh."
Tatsächlich hat man den Eindruck, dass Vallon nur mit einer Seelenhälfte im Gravitationsfeld der amerikanischen Jazztradition steht (was ihn mit Brad Mehldau eint). Vallons Klaviertrio arbeitet öfter mit scheinbar aus der Klassik stammenden Klangbildern. Die Akkordik im Thema von "Une Rose en Hiver" etwa kommt ohne die sonst im Jazz so typischen Spannungstöne aus. Man denkt mehr an einen klassischen Komponisten, der das Themenmaterial weiterverarbeitet, denkt mehr an die Alte Welt als an die Neue. Auch Popjazz nach Art des norwegischen Pianisten Esbjørn Svensson (von dem Vallon aber nur ein paar Stücke gehört haben will) schimmert durch. Wie dieser bietet Vallons Trio zum Beispiel in "Horizon Es-tompe" oder "Juste une" viele ostinate Figuren und flockige, gut abgehangene, mit den Besen gespielte binäre Grooves.
Und wie sieht Vallon seine pianistische Zukunft? Ans Great American Songbook will er sich nicht halten. Er wolle "Stimmungen schaffen", was ihm am besten gelinge, wenn er die Dinge in eigenen Stücken stark ausdefiniere. Am entgegengesetzten Ende der Skala interessiert er sich m letzter Zeit verstärkt für "wirklich freie Sachen", für eine Musik, die von einfachsten Ideen ausgehe und sich dann sehr frei entwickle. Ein bisschen Rebellentum ist eben auch diesem Romantiker eigen.
(© Tages-Anzeiger, 19. Juni 2004)
2 Auftritte mit folgenden Bands: